Zurück zu Nähe und Selbstvertrauen

Haarausfall, Narben, Gewichtsveränderungen, trockene Haut oder Schleimhäute – viele Menschen erleben während und nach einer Krebstherapie Veränderungen, die das Körpergefühl stark beeinflussen. Die Therapie mag objektiv erfolgreich sein, doch im Inneren kann es ganz anders aussehen: Das Spiegelbild schmerzt, das Selbstbewusstsein schwindet und die Sehnsucht nach Nähe verstummt. 

Dieser oft unausgesprochene Aspekt einer Krebserkrankung ist absolut nicht ungewöhnlich. Wir zeigen Ihnen auf, welche Veränderungen sich ergeben können und wie Sie Nähe und Intimität wieder neu erleben können.

Welchen Einfluss hat eine Krebserkrankung auf Sexualität?

Krebserkrankungen und ihre Behandlungen können die Sexualität auf viele Arten beeinflussen. Denn neben den sichtbaren Veränderungen am Körper können auch Hormone, Nervenschäden, Schmerzen oder chronische Müdigkeit (Fatigue) eine Rolle spielen. Operationen im Beckenbereich (wie bei Prostata- oder Darmkrebs), Medikamente und Strahlentherapie können die sexuelle Funktion direkt beeinträchtigen und zu Problemen wie Erektionsstörungen, Scheidentrockenheit oder verminderter Libido führen.

Darüber hinaus spielen auch psychische Faktoren eine große Rolle, denn nicht nur der Körper, sondern auch die Psyche stehen bei einer Krebserkrankung unter Dauerstress. So können die Angst vor Rezidiven, Depressionen und ein verändertes Selbstwertgefühl die sexuelle Lust und Fähigkeit zusätzlich mindern. Es ist wichtig zu wissen, dass diese Beeinträchtigungen nicht selten sind und dass es viele Wege gibt, Unterstützung und Hilfe zu finden, um auch nach einer Krebserkrankung ein erfülltes Sexualleben zu führen

Wenn sich der eigene Körper fremd anfühlt

Wenn die Therapie Ihren Körper oder Ihre Gefühle verändert hat, kann der Gedanke an Nähe erstmal beängstigen. Diese Unsicherheit ist absolut verständlich – und darf da sein. Doch selbst wenn sich Ihr Körper fremd anfühlt, kann sich Nähe neu entwickeln. Vielleicht anders als früher, aber nicht weniger schön. Offene Gespräche mit Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner helfen enorm, um Unsicherheiten anzusprechen und gemeinsam neue Wege zu finden. Es ist ein Prozess, aber einer, der sich lohnt.

Vaginale Trockenheit – Was Frauen hilft

Mit einer Chemotherapie können hormonelle Veränderungen einhergehen. Besonders häufig ist das bei der Behandlung von Brustkrebs der Fall. Dabei wird häufig die Vaginalschleimhaut durch verringerte Östrogenspiegel dünner und trockener. Das kann zu Juckreiz, Brennen und Schmerzen führen, vor allem beim Geschlechtsverkehr. Auch leichte Blutungen können auftreten.

Hilfreich sind:

  • Feuchtigkeitsspendende Vaginalgele (z. B. mit Hyaluron)
  • Hormonfreie Gleitmittel
  • Sitzbäder mit beruhigenden Zusätzen (z. B. Kamille) 

Bei anhaltenden Beschwerden kann in Rücksprache mit Ihren behandelnden Ärztinnen bzw. Ärzten auch eine lokale Östrogensalbe in Erwägung gezogen werden. Sprechen Sie Ihre Beschwerden an!

Erektionsstörungen – Was Männern hilft

Nach einer Krebstherapie, besonders im Rahmen von Operationen bei Prostatakrebs, aber auch bei Hoden- oder Darmkrebs, kann es vorkommen, dass es mit der Erektion nicht mehr so funktioniert wie gewohnt. Ebenso können Bestrahlungen, Hormontherapien und bestimmte Medikamente Nerven und Gefäße beeinträchtigen, die für eine Erektion wichtig sind. Die daraus folgende Erektionsstörung ist frustrierend und verunsichert viele Männer.

Doch welche Ursache auch immer einer Erektion im Wege steht, es gibt medizinische und partnerschaftliche Wege, damit umzugehen. Der erste und wichtigste Schritt ist ein offenes Gespräch mit den behandelnden Ärztinnen, Ärzten oder Urologen.

Hilfreich sind (je nach Ursache):

  • Orale Medikamente zur Verbesserung der Durchblutung (PDE-5-Hemmer wie z. B. Sildenafil)
  • Medikamentöse Schwellkörperinjektionen
  • Mechanische Hilfsmittel wie Vakuumpumpen
  • In schwereren Fällen auch Schwellkörperimplantate

Zudem kann eine sexualtherapeutische Beratung und/oder eine Paarberatung helfen, ein erfülltes Sexualleben wiederzuentdecken. Nehmen Sie mit gemeinsamem Bewusstsein für die Umstände den Druck heraus, um wieder Raum für Nähe zu schaffen.

Wenn sich der eigene Körper nach der Therapie fremd anfühlt, kann Nähe beängstigend wirken – und doch: Sie kann sich neu entwickeln. Vielleicht anders als früher, aber nicht weniger schön. Entscheidend sind offene Gespräche, die Unsicherheiten Raum geben und neue Wege ermöglichen.“

Dr. Magdalena Riederer | Medizinerin, Autorin und Gründerin HealthHeld

5 Impulse, die Nähe wieder leichter machen

  1. Körper neu kennenlernen: Nehmen Sie sich Zeit für sich: Massieren Sie sich bewusst, cremen Sie sich ein und spüren Sie, was sich gut anfühlt. Entdecken Sie auf diese Weise neu, was Ihnen guttut und wie sich Ihr Körper anfühlt.
  2. Nähe in kleinen Schritten: Ein ehrliches Gespräch, eine zarte Berührung oder ein mutiger Satz wie „Ich weiß nicht, wie es geht – aber ich möchte dir nahe sein“ können den Anfang machen. Erlauben Sie sich und Ihrem Partner, sich langsam wieder anzunähern, Schritt für Schritt.
  3. Geben Sie sich selbst die nötige Zeit. Es braucht Geduld, sich nach einer Krebstherapie wieder im eigenen Körper wohlzufühlen und neue Wege der Intimität zu finden. Es gibt vielleicht kein „Zurück zu früher“, aber oft ein „Neu, aber schön“. Akzeptieren Sie den Prozess und geben Sie sich selbst die nötige Zeit.
  4. Hilfe holen ist Stärke: Wenn Unsicherheiten oder Belastungen mit dem eigenen Körperbild anhalten, kann psychoonkologische Beratung hilfreich sein. Auch Sexualtherapeut:innen bieten Unterstützung an. Mit körperlichen Problemen – auch in sexueller Hinsicht – finden Sie bei Gynäkologinnen und Gynäkologen sowie Urologinnen und Urologen ein offenes Ohr und die passende Behandlung.
  5. Zärtlichkeit ohne Druck: Zärtlichkeit ist mehr als Sex. Für viele Betroffene ist es hilfreich, sich langsam wieder an körperliche Nähe heranzutasten. Kuscheln, Massagen, ein gemeinsames Bad oder einfach nur eng verschlungen sich gegenseitig Halt geben. All das sind unterschiedliche Formen von Zärtlichkeit und Verbindung

Quellenangaben