Warum treten Erektionsstörungen bei Krebs häufig auf?

Für eine Erektion müssen Nerven, Blutgefäße und Hormone zusammenspielen. Krebsbehandlungen können diese empfindlichen Strukturen beeinflussen:

  • Operationen im Beckenbereich (z. B. bei Prostatakrebs) können Nerven oder Gefäße verletzen, die für eine Erektion nötig sind.
  • Bestrahlung kann die Durchblutung und das Gewebe langfristig verändern, sodass Erektionen schwächer werden.
  • Hormontherapien senken das Testosteron, wodurch das sexuelle Verlangen abnimmt und die Erektionsfähigkeit sinkt.
  • Chemotherapie und andere Medikamente können als Nebenwirkung Nerven oder Gefäße beeinträchtigen.
  • Psychische Belastungen wie Erschöpfung, Angst oder Depression können das Problem zusätzlich verstärken.

Oft wirken mehrere Faktoren zusammen, weshalb ein umfassender Zugang besonders wichtig ist. Insbesondere liegt in vielen Fällen eine Mischung aus organischen und psychischen Ursachen vor.

Wie häufig sind Erektionsstörungen nach Krebs?

Etwa 43% aller Männer sind nach Krebsbehandlungen von Erektionsstörungen betroffen (im Vergleich zu etwa 14% ohne Krebs). Nach Operationen im Beckenbereich, wie Prostata- oder Blasenentfernung, behalten weniger als ein Viertel ihre volle Erektionsfähigkeit. Besonders hoch sind die Raten nach Prostatakrebs. Aber auch nach anderen Tumorarten im Becken, nach Strahlentherapie oder durch Medikamente sind viele Männer davon betroffen. Wie stark die Probleme ausfallen, hängt von Alter, Art der Behandlung und Lokalisation des Krebses ab.

Zusätzlich spielen auch allgemeine Faktoren eine Rolle: Übergewicht, Rauchen, Bewegungsmangel und viel Alkohol erhöhen das Risiko für Erektionsstörungen. Auch Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck oder erhöhte Blutfette können die Gefäße schädigen und der Erektionsfähigkeit schaden. Nicht zuletzt wirken manche Medikamente, etwa gegen Bluthochdruck oder Depression, negativ.

Was kann helfen?

Erektionsstörungen müssen nicht hingenommen werden. Es gibt verschiedene Wege, die Betroffenen helfen können:

Medikamente

Die am stärksten etablierten Medikamente bei Erektionsstörungen sind sogenannte PDE-5-Hemmer. Dabei handelt es sich um die Wirkstoffe Sildenafil, Vardenafil, Tadalafil und Avanafil. Vor allem ersterer ist weitläufig unter dem Handelsnamen Viagra bekannt. Voraussetzung ist, dass Nerven und Blutgefäße noch grundsätzlich funktionieren. In der Regel werden sie bei Bedarf eingenommen; mit Tadalafil ist auch eine Dauertherapie möglich.

Lebensstil und körperliche Gesundheit

Regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung, Gewichtsreduktion, Nichtrauchen und wenig Alkohol verbessern die Gefäßgesundheit und damit auch die Erektionsfähigkeit.

Psychische Unterstützung

Angst, Leistungsdruck oder Schamgefühle verschlimmern die Situation oft. Gespräche mit Psycho- und Sexualtherapeuten können helfen, den Druck herauszunehmen und neue Wege der Intimität zu entdecken. Besonders hilfreich ist eine Kombination aus medizinischer Behandlung und psychologischer Unterstützung.

Geduld und Training

Nach einer Operation oder Bestrahlung können Monate bis Jahre vergehen, bis sich die Erektionsfähigkeit verbessert. Manchmal wird ärztlich ein „Erektionstraining“ (z. B. regelmäßige Stimulation oder Medikamente) empfohlen, um die Durchblutung im Penis zu fördern und das Gewebe gesund zu halten.

Weitere Therapien

  • Injektionstherapie wirkt auch dann, wenn Tabletten nicht ausreichen. Hier wird ein Medikament, meist Prostaglandin, direkt in den Schwellkörper gespritzt, das zu mehr Blutstrom in den Penis führt.
  • Pellets mit Prostaglandin werden in die Harnröhre eingeführt. Sie sind eine Alternative zu Injektionen, wirken jedoch nicht ganz so gut.
  • Vakuumpumpen erzeugen Unterdruck und können so eine Erektion ermöglichen.
  • Implantate sind eine Option, wenn andere Verfahren nicht helfen. Dabei wird operativ ein Hilfssystem im Penis eingesetzt.

Wichtig: Testosteronmangel kann ebenfalls zu Erektionsstörungen führen. Eine Testosteronersatztherapie kommt allerdings nur in sehr ausgewählten Fällen infrage, da viele Krebsarten unter dem Einfluss von Hormonen wachsen. Ob Testosteron eine Option ist, muss daher individuell und mit großer Vorsicht ärztlich entschieden werden.

Wann sollte man ärztliche Hilfe suchen?

  • Wenn die Probleme länger als ein halbes Jahr bestehen.
  • Wenn die Belastung groß ist oder die Partnerschaft leidet.
  • Wenn Begleitsymptome auftreten, z. B. Schmerzen.

Unter Umständen können Erektionsstörungen auch auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen hinweisen. Deshalb sollten Erektionsstörungen immer thematisiert werden. Grundsätzlich eignen sich alle Ärzt:innen, die auf dieses Thema spezialisiert sind als Ansprechpersonen, in erster Linie Urolog:innen.

Angst, Leistungsdruck oder Schamgefühle verschlimmern die Situation oft. Gespräche mit Psycho- und Sexualtherapeuten können helfen, den Druck herauszunehmen und neue Wege der Intimität zu entdecken. Besonders hilfreich ist eine Kombination aus medizinischer Behandlung und psychologischer Unterstützung.“

Dr. Magdalena Riederer | Medizinerin, Autorin und Gründerin HealthHeld

Tipps für Betroffene und Partner:innen

  1. Offen reden: Verschweigen macht die Belastung oft größer.
  2. Druck herausnehmen: Sexualität bedeutet nicht nur Geschlechtsverkehr. Auch Nähe, Berührung und Zärtlichkeit sind wichtige Bestandteile.
  3. Geduld haben: Die Erholung kann Zeit brauchen. Kleine Fortschritte sind ein gutes Zeichen.

Quellenangaben

  • Agrawal LS, O'Riordan L, Natale C, Jenkins LC. Enhancing Sexual Health for Cancer Survivors. Am Soc Clin Oncol Educ Book. 2025 Jun;45(3):e472856. doi: 10.1200/EDBK-25-472856. Epub 2025 Apr 3. PMID: 40173399.
  • Pizzol D, Xiao T, Smith L, Sánchez GFL, Garolla A, Parris C, Barnett Y, Ilie PC, Soysal P, Shin JI, Tully MA, Yang L, Veronese N, Grabovac I. Prevalence of erectile dysfunction in male survivors of cancer: a systematic review and meta-analysis of cross-sectional studies. Br J Gen Pract. 2021 Apr 29;71(706):e372-e380. doi: 10.3399/bjgp20X714197. PMID: 33926885; PMCID: PMC8087306.
  • https://healthheld.de/erektionsstoerung/pde-5-hemmer
  • https://healthheld.de/erektionsstoerung/erektionsstoerung-ursachen